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Gregor Bauer

Rede auf dem Protest-Marsch der Letzten Generation am 21.06.2023 in Köln

Gegen unseren Protest höre ich immer wieder das folgende Argument: Was ändern denn Deutschlands Windräder und Wärmepumpen schon am Weltklima? China, die USA, Indien: Das sind die großen Klimasünder. Dagegen ist doch unser Anteil unbedeutend. Wir können doch eh nichts an der Klimakrise ändern.

Stimmt das?

Deutschlands Anteil am weltweiten CO2 -Ausstoß liegt bei 1,8 %. In Wirklichkeit ist es mehr. Denn da sind die Emissionen nicht mit drin, die zwar in anderen Ländern anfallen, aber für die Produktion von Waren, die wir konsumieren.

Aber nehmen wir trotzdem mal die 1,8 Prozent. Damit liegt Deutschland beim aktuellen CO2 -Ausstoß auf Platz 7 von 194 Ländern, sprich: 187 Staaten emittieren weniger als wir. Würden all diese Länder mit uns sagen: „Bringt doch eh nichts“, dann würde mehr als ein Drittel der heutigen Emissionen nicht reduziert werden. Dann hätten wir keine Chance, unseren Nachkommen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.

Und Deutschlands Einfluss ist noch größer:

Deutschland ist das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land der EU.

Deshalb können wir in der EU sehr viel bewegen. Und die EU kann unter den G20-Ländern sehr viel bewegen.

G20, das sind die wirtschaftlich stärksten Länder weltweit: 19 Länder plus alle Länder der Europäischen Union.

Wenn nur die G20-Länder ihre CO2 -Emissionen auf Netto Null reduzieren würden, dann wären 81 % der heutigen Emissionen weg. Und die Länder mit den restlichen 19 % hätten ein starkes Motiv, ihre Emissionen ebenfalls runterzufahren.

Wenn Deutschland sich dafür einsetzen würde, dann würde es international offene Türen einrennen. Denn die meisten anderen Länder leiden unter der Klimakrise noch viel stärker als wir. Auch China, die USA und Indien.

Bereits 2070 werden riesige Weltregionen unbewohnbar sein, wenn wir jetzt nicht handeln. 

Das ist die Bedrohung. Wir kennen sie. Die internationalen Strukturen sind da, die wir brauchen für ein gemeinsames Vorgehen der Staaten zum Schutz der Menschheit. Was zu tun ist, ist auch klar. Die erforderlichen Technologien sind verfügbar.

Das wäre doch ein guter Ausgangspunkt für die Bundesregierung, international ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen für Klimaschutz.

Und? Was tut die Ampel?

Auf EU-Ebene will sie ambitionierten Klimaschutz im Gebäudesektor verhindern. 

Zuhause hält sie ihr eigenes Klimaschutzgesetz nicht ein.

Der Ausbau von Wind- und Solarenergie kommt nicht vom Fleck, und wo Windenergie produziert wird, muss sie oft weggeworfen werden, weil die Regierung den Ausbau der Energiespeicher vertrödelt.

Statt Zukunftstechnologien voranzubringen, baut sie LNG-Terminals aus, bringt Kohlekraftwerke wieder ans Netz, erlaubt die Inbetriebnahme alter Ölheizungen und fördert die Verschwendung fossiler Energien. Die Klima-Ökonomin und Umwelt-Sachverständige der Bundesregierung Claudia Kemfert findet das „zum Wahnsinnigwerden”. Sie sagt: „Egal wer versucht zu erklären, was aus wissenschaftlicher Perspektive jetzt zu tun ist, wird genervt bis aggressiv abgewürgt.“

So schädigt die Ampel das Klima massiv weiter. 2022 wurden fast 600.000 neue Gasheizungen eingebaut. Das geplante Verbot neuer Gasheizungen wurde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Beim Neuwagen-Kauf steigt der Anteil an Verbrennern. 250.000 Käuferinnen und Käufer werden jeden Monat über die wahren CO2 -Emissionen ihrer Neuwagen betrogen. Denn Habeck erlaubt den Konzernen, ihre Werte mit einem frisierten Prüfverfahren schönzurechnen, das in der EU seit 2019 verboten ist.

In der EU gilt Deutschland heute deshalb nicht als Vorreiter für Klimaschutz, sondern als Bremser.

In Afrika wissen die Regierungen genau, was von Klimaschutz-Versprechen aus Deutschland zu halten ist: Sobald in Deutschland das Erdgas knapp wird, macht die Ampel Afrika zur Tankstelle. Und Deutschland ist unsolidarisch: Allein durch die Verweigerung des Tempolimits verursacht die Bundesregierung so viele Emissionen, wie die 86 ärmsten Länder der Welt zusammen für ihren gesamten Energiebedarf ausstoßen (Greta Thunberg (2022): The Climate Book, Seite 273).

Rasen auf der Autobahn, aber Schneckentempo beim Ausbau von Wind- und Solarenergie, Stillstand im Gebäudesektor, Steuerfreiheit für Kerosin, Steuerermäßigung für Fleisch: So motiviert die Ampel andere Länder nicht zu mehr Klimaschutz.

Mit diesem Klima-Kolonialherrentum schadet Deutschland sich selbst. Denn auch bei uns brennen die Wälder, kocht der Asphalt, sterben Menschen an Überhitzung und an neuen Krankheitskeimen, für die Deutschland zur idealen Brutstätte geworden ist.

Ich verstehe nicht, wie unserem Finanzminister sein Porsche wichtiger sein kann als Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Aussaat und Ernte, Flüsse und Wälder, das Summen der Insekten und das Zwitschern der Vögel.

Krieg ist schrecklich. Aber bisher war jeder Krieg irgendwann vorbei. Dann hatten die Menschen Zeit, ihre Toten zu beweinen und wieder neu anzufangen. Aber die Klimahölle, wenn die erst einmal da ist, die geht nicht mehr vorbei. Die bleibt und bleibt und bleibt.

Liebe Menschen von der Letzten Generation vor den Kipppunkten: Ihr habt euch informiert. Ihr wisst, was auf uns zukommt, wenn die Regierung jetzt nicht handelt.

Und ihr werdet immer mehr. Immer mehr Menschen solidarisieren sich mit euch oder schließen sich euch an. Wir stehen zusammen. Wir nehmen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen nicht länger hin.

Noch hat die Regierung es nicht verstanden. Aber bald wird ihr klar sein:

Diesen Protest wird sie nicht mehr los. Solange die Regierung unsere Zukunft zerstört, stören wir ihre Gegenwart.

Wir schauen der Regierung genau auf die Finger.

Der Protest der Letzten Generation ist stark, er wächst und er ist durch keine Repression aufzuhalten. Unser gemeinsamer Protest: Das ist die neue Realität, mit der Realpolitikerinnen und Realpolitiker jetzt rechnen müssen.

Die Realität anerkennen, das heißt heute: Das Klima schützen.

Danke.